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Bedarfsermittlung nach dem BTHG: Grundlagen und Umsetzung in der Praxis

Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurde ein Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe eingeleitet. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr die Leistungen an sich, sondern die Bedarfe und Wünsche der leistungsberechtigten Person.

Grundlage dafür ist die strukturierte Bedarfsermittlung. Sie bildet das Herzstück des Gesamtplanverfahrens und sorgt dafür, dass Leistungen zur Teilhabe im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells gewährt werden – individuell, nachvollziehbar und transparent.

Digitale Lösungen wie TheraVira unterstützen Einrichtungen dabei, diesen Paradigmenwechsel alltagstauglich, strukturiert, ICF-konform und entlastend umzusetzen.

Dieser Beitrag erklärt die zentralen Begriffe rund um die Bedarfsermittlung nach SGB IX, zeigt den Ablauf anhand aktueller Vorgaben und stellt ausgewählte Bedarfsermittlungsinstrumente vor. 

Warum Bedarfsermittlung?

Die Bedarfsermittlung dient der systematischen Ermittlung des individuellen Bedarfs von Menschen mit Behinderungen. Sie ist ein zentrales Element der Eingliederungshilfe und stellt sicher, dass Leistungen im Sinne des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) nicht pauschal, sondern passgenau und personenzentriert geplant werden. 

Grundlage ist dabei § 118 SGB IX, der eine strukturierte Bedarfserhebung vorschreibt. Ziel ist es, die tatsächlichen Teilhabebedarfe sichtbar zu machen und Leistungen darauf auszurichten.

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Im Zentrum steht die leistungsberechtigte Person – mit ihren Fähigkeiten, Lebensumständen, Ressourcen und Wünschen. Die Bedarfsermittlung greift dabei auf standardisierte Instrumente zurück, die auf dem bio-psycho-sozialen Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) basieren. 

Mit TheraVira lassen sich ICF-orientierte Einschätzungen strukturiert dokumentieren, Förderziele systematisch ableiten und Fortschritte nachvollziehbar begleiten.

Im Unterschied zur klassischen Hilfeplanung erfasst die Bedarfsermittlung alle relevanten Lebensbereiche wie Wohnen, Arbeit, Bildung, Gesundheit oder soziale Teilhabe – nicht defizitorientiert, sondern ressourcenbezogen und zielgeleitet.

Damit ist die Bedarfsermittlung weit mehr als ein Verwaltungsschritt: Sie bildet den Ausgangspunkt für alle weiteren Entscheidungen in der Eingliederungshilfe und z.B. dem Reha-Prozess, für die Erstellung des Gesamtplans, für das Teilhabeplanverfahren bei mehreren Reha-Trägern und nicht zuletzt für die Selbstbestimmung der betroffenen Menschen.

Gesetzlicher Rahmen: SGB IX, SGB XII und BTHG

Die Bedarfsermittlung ist im Bundesteilhabegesetz (BTHG) sowie in den Sozialgesetzbüchern IX und XII klar geregelt. Sie bildet die rechtliche Grundlage für eine personenzentrierte und trägerübergreifende Teilhabeplanung. Die wichtigsten rechtlichen Ankerpunkte sind:

  • § 13 SGB IX: Verankert das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Person. Leistungen sollen dem Wunsch entsprechend erbracht werden, sofern dem keine unverhältnismäßigen Mehrkosten entgegenstehen.
  • § 117 SGB IX: Führt das Gesamtplanverfahren als verbindliches Verfahren zur Feststellung, Planung, Steuerung und Dokumentation von Leistungen der Eingliederungshilfe ein.
  • § 118 SGB IX: Legt fest, dass Träger der Eingliederungshilfe ein standardisiertes Bedarfsermittlungsinstrument verwenden müssen. Dieses muss nachvollziehbar, partizipativ und ICF-orientiert sein.
  • §§ 131 ff. SGB IX: Beschreiben das Teilhabeplanverfahren, das zum Einsatz kommt, wenn mehrere Reha-Träger beteiligt sind. Ziel ist eine koordinierte, transparente und effiziente Planung der Leistungen zur Teilhabe.
  • SGB XII: Regelt ergänzend die Leistungen für behinderte Menschen, insbesondere für Personen, die nicht (mehr) erwerbsfähig sind.

Als handlungsleitender Rahmen dient darüber hinaus die „Gemeinsame Empfehlung“ der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). Sie konkretisiert die Zusammenarbeit zwischen Leistungsträgern, beschreibt den Ablauf des Reha-Prozesses und stellt sicher, dass die Ermittlung des individuellen Bedarfs auf einheitlichen Prinzipien basiert. 

Die BAR-Empfehlung ist ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung im Teilhabeplanverfahren und zur Umsetzung des bio-psycho-sozialen Modells in der Praxis.

Wer ist beteiligt? Träger, Leistungserbringende und Vertrauenspersonen

Die Bedarfsermittlung ist ein kooperativer Prozess, an dem mehrere Beteiligte mit jeweils klaren Rollen und Zuständigkeiten mitwirken. Federführend ist der zuständige Träger der Eingliederungshilfe. Dieser ist rechtlich verpflichtet, die Bedarfsermittlung zu veranlassen, zu steuern und ein standardisiertes Bedarfsermittlungsinstrument einzusetzen.

In der Praxis arbeitet der Träger häufig eng mit Leistungserbringenden zusammen. Dazu zählen z. B. Frühförderstellen, Einrichtungen der sozialen Teilhabe, ambulante Dienste oder stationäre Angebote. Diese bringen ihre fachliche Expertise in den Prozess ein und tragen zur realitätsnahen Einschätzung des Unterstützungsbedarfs bei.

Die leistungsberechtigte Person steht im Zentrum des Verfahrens. Sie hat das Recht, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen – beispielsweise eine nahestehende Person, eine rechtliche Vertretung oder eine beratende Fachperson aus einer EUTB (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung). 

Die Einbindung einer Vertrauensperson stärkt die Selbstbestimmung und unterstützt eine bedürfnisgerechte Formulierung der Teilhabeziele.

Sind mehrere Rehabilitationsträger oder Leistungsträger beteiligt, greift das trägerübergreifende Teilhabeplanverfahren gemäß §§ 13 und 14 SGB IX. 

In diesem Fall wird ein abgestimmter Reha-Prozess initiiert, bei dem die beteiligten Träger gemeinsam mit der leistungsberechtigten Person eine koordinierte Planung und Durchführung der Leistungen zur Teilhabe abstimmen. Ziel ist eine einheitliche Bedarfsfeststellung, die sowohl fachlich fundiert als auch organisatorisch abgestimmt ist.

Mutter und Kind geben einem Arzt ein High-Five, lächelnd im Gespräch.

Instrumente der Bedarfsermittlung in der Praxis

Die Vielfalt der eingesetzten Instrumente wirft in der Praxis oft Fragen auf – etwa nach methodischen Grundlagen oder nach konkreten Hilfen in bestimmten Bundesländern. 

Je nach Bundesland kommen unterschiedliche Bedarfsermittlungsinstrumente zum Einsatz – jeweils angepasst an die strukturellen Gegebenheiten, fachpolitischen Zielsetzungen und gesetzlichen Umsetzungsstrategien vor Ort.

  • In Nordrhein-Westfalen ist das Instrument BEI_NRW verbindlich vorgeschrieben und wird in allen Kommunen landesweit eingesetzt.
  • In Niedersachsen hat sich das B.E.Ni als verbindlicher Standard etabliert, mit klaren landesweiten Vorgaben zur Anwendung.
  • In Berlin wird das IBB-Verfahren genutzt, das sowohl im Erwachsenen- als auch im Kinder- und Jugendbereich eingesetzt wird.
  • In Baden-Württemberg ist das Metzler-Verfahren in der Anwendung – mit regionalen Varianten und praxisnaher Umsetzung durch die Träger.
  • In Bayern existieren mehrere Varianten, da es bislang keine landesweit einheitliche Lösung gibt. Hier kommt es besonders auf die Ausgestaltung durch die örtlichen Träger an.
  • In Schleswig-Holstein wird mit dem ITP SH gearbeitet, das auf den Prinzipien der ICF basiert und besonders auf Transparenz und Beteiligung setzt.

Die Unterschiede zwischen den Ländern liegen nicht nur in der Methodik der Instrumente, sondern auch in der Organisation der Umsetzungsprozesse. Während manche Länder eine zentrale Schulung und Qualitätssicherung bieten, liegt die Verantwortung in anderen Regionen stärker bei den kommunalen Trägern.

Diese Instrumente wurden speziell entwickelt, um die Ermittlung des individuellen Unterstützungsbedarfs systematisch, nachvollziehbar und ICF-orientiert zu gestalten. 

Sie basieren in der Regel auf dem bio-psycho-sozialen Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit (ICF) und bieten strukturierte Leitfäden für Gespräche, Beobachtungen und Einschätzungen.

Erfasst werden dabei alle relevanten Lebensbereiche der leistungsberechtigten Person – z. B.:

  • Wohnen und Selbstversorgung
  • Bildung, Ausbildung und Arbeit
  • Gesundheit und Mobilität
  • Kommunikation und soziale Beziehungen
  • Freizeitgestaltung und gesellschaftliche Teilhabe

Ziel ist es, die individuellen Teilhabebedarfe sichtbar zu machen und daraus konkrete Teilhabeziele sowie bedarfsgerechte Leistungen abzuleiten. 

Ein gutes Bedarfsermittlungsinstrument stellt sicher, dass sowohl vorhandene Ressourcen als auch Barrieren berücksichtigt werden und der Mensch in seiner gesamten Lebenssituation gesehen wird.

Digitale Systeme wie TheraVira helfen dabei, landesspezifische Instrumente effizient umzusetzen, Fristen zu überwachen und Förderverläufe systematisch zu dokumentieren.

Ablauf der Bedarfsermittlung

  1. Antragstellung: Die leistungsberechtigte Person stellt einen Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe.
  2. Erstgespräch: Informationsaustausch mit dem Träger der Eingliederungshilfe, Klärung des Wunsch- und Wahlrechts.
  3. Durchführung: Erhebung des Unterstützungsbedarfs anhand eines strukturierten Instruments – z. B. durch Fachkräfte oder in Begleitung einer EUTB.
  4. Teilhabebedarfe und Teilhabeziele: Festlegung gemeinsam mit der Person, unter Einbindung einer Vertrauensperson.
  5. Gesamtplanverfahren: Dokumentation der Ergebnisse und Leistungsplanung.
  6. Umsetzungsbegleitung: Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Maßnahmen.

Mit TheraVira lassen sich alle Schritte – von der Bedarfserhebung bis zur Umsetzungsbegleitung – in einem System abbilden, dokumentieren und bei Bedarf anpassen.

Wunsch- und Wahlrecht in der Bedarfsermittlung

Die individuelle Entscheidung der leistungsberechtigten Person spielt in der Bedarfsermittlung eine zentrale Rolle – besonders beim Zugang zu selbstbestimmten Leistungsformen wie dem persönlichen Budget.

Persönliches Budget und Wunsch des Leistungsberechtigten

Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Persönliche Budget. Ein zentrales Element der Bedarfsermittlung ist das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Person. 

Dieses umfasst nicht nur die Wahl zwischen verschiedenen Leistungsangeboten oder Leistungserbringenden, sondern auch die Entscheidung darüber, ob die Leistungen als Sachleistung oder im Rahmen eines Persönlichen Budgets in Anspruch genommen werden sollen.

Das Persönliche Budget ist eine alternative Leistungsform zur Sachleistung und ermöglicht es, notwendige Unterstützungsleistungen selbstständig einzukaufen und zu organisieren – etwa Assistenzleistungen, Hilfen im Alltag oder Teilhabeleistungen in der Freizeit.

Berechnungsgrundlage des Persönlichen Budgets

Berechnungsgrundlage ist der festgestellte individuelle Unterstützungsbedarf, wie er im Rahmen der Bedarfsermittlung dokumentiert wurde. 

Das Budget soll sicherstellen, dass die leistungsberechtigte Person ihre Leistungen selbstbestimmt, flexibel und individuell passgenau gestalten kann – auch mit Blick auf unterschiedliche Lebensbereiche und persönliche Vorlieben.

Voraussetzung ist, dass mit dem persönlichen Budget der festgestellte Bedarf ebenso wirkungsvoll gedeckt werden kann wie mit einer vergleichbaren Sachleistung. 

Die Entscheidung für ein Budget wird in der Teilhabeplanung dokumentiert und ist jederzeit überprüfbar. Das stärkt die Autonomie der Betroffenen und trägt zur Umsetzung des BTHG-Grundsatzes „Mehr individuelle Teilhabe, weniger Fürsorge“ bei.

TheraVira schafft die nötige Transparenz, um das Wunsch- und Wahlrecht nachvollziehbar zu dokumentieren und individuell passende Leistungsformen – inklusive persönlichem Budget – gezielt zu planen.

FAQs: Häufige Fragen zur Bedarfsermittlung

Die Bedarfsermittlung wird in der Regel vom Träger der Eingliederungshilfe veranlasst. Zuständig sind insbesondere Fachkräfte aus der Verwaltung oder dem Sozialdienst. Diese arbeiten eng mit Leistungserbringenden zusammen – etwa aus der Frühförderung oder aus Einrichtungen für soziale Teilhabe. 

Die Bedarfserhebung erfolgt dabei idealerweise in einem dialogischen Verfahren: gemeinsam mit der leistungsberechtigten Person und – wenn gewünscht – unter Einbindung einer Vertrauensperson oder einer beratenden Stelle wie der EUTB. Ziel ist ein transparenter, partizipativer Prozess, der die tatsächlichen Lebensumstände und Wünsche angemessen berücksichtigt.

Ja. Die Bedarfsermittlung ist gesetzlich vorgeschrieben und gemäß § 118 SGB IX verpflichtend durchzuführen. Sie ist die Grundlage für das Gesamtplanverfahren der Eingliederungshilfe und damit Voraussetzung dafür, dass überhaupt Leistungen bewilligt werden können. 

Ohne strukturierte Bedarfserhebung können keine individuellen Teilhabeleistungen geplant oder erbracht werden – auch nicht im Rahmen eines Persönlichen Budgets.

Nein, ein persönliches Budget muss nicht beantragt werden – aber es besteht ein gesetzlich verankertes Recht darauf. Die leistungsberechtigte Person kann frei wählen, ob sie Leistungen als Sachleistung oder über ein persönliches Budget in Anspruch nehmen möchte.

Der Träger ist verpflichtet, umfassend, verständlich und auf Wunsch auch in leichter Sprache über das Persönliche Budget zu informieren. Die Entscheidung sollte im Rahmen der Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung gut vorbereitet werden.

Die ICF – Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit – ist die fachliche Grundlage der Bedarfsermittlung nach dem BTHG. Sie hilft, Teilhabebedarfe systematisch, lebensbereichsübergreifend und ressourcenorientiert zu erfassen. 

Die ICF unterteilt die Lebenssituation in Körperfunktionen, Aktivitäten, Partizipation und Umweltfaktoren – und bietet damit eine einheitliche Sprache für Fachkräfte und Träger. Sie trägt wesentlich zur Vergleichbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Qualität der Teilhabeplanung bei.

Ändern sich die Lebensumstände, der Gesundheitszustand oder die Wünsche der leistungsberechtigten Person, kann – und sollte – die Bedarfsermittlung erneut durchgeführt werden. 

Das Gesamtplanverfahren sieht regelmäßige Überprüfungen vor, meist im Abstand von ein bis zwei Jahren oder bei konkretem Anlass. Auch im Rahmen der Umsetzungsbegleitung ist eine Fortschreibung vorgesehen, um sicherzustellen, dass die Leistungen weiterhin zu den tatsächlichen Bedarfen passen.

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